Das Staatliche Bauhaus in Weimar und der Nationalsozialismus

Eine Epoche der großen Widersprüche: Im langen 20. Jahrhundert lagen kultureller Aufbruch und Katastrophe, Scheitern und Neustart nie enger beieinander als in der Abfolge von Kaiserreich, Weimarer Republik, nationalsozialistischer Diktatur und der Neugründung zweier deutscher Staaten. Die Stadt Weimar ist auch heute noch ein symbolischer Ort dieser bewegten Geschichte, deren Auswirkungen uns immer noch beschäftigen. In einzigartiger Weise trifft hier das Kulturerbe der klassischen Moderne auf die Schattenseiten der „janusköpfigen“ Residenzstadt: das Konzentrationslager Buchenwald steht als Mahnmal der Barbarei neben den Zeugnissen der stilprägenden internationalen Avantgarde.

Umso erstaunlicher ist, dass die Verstrickung der wichtigsten Designschule des 20. Jahrhunderts mit dem Nationalsozialismus immer noch als ein weitestgehend „blinder Fleck“ der heutigen Bauhaus-Rezeption gelten kann.

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg wurden das Staatliche Bauhaus mit seinen international bekannten Design- und Kunstrevolutionär*innen und das nationalsozialistische Regime als unvereinbare Gegensätze gesehen. Beeinflusst durch die Nachkriegsrezeption, die die vermeintlich „gute“ und verfolgte Moderne gegen das verbrecherische System absetzte, konnte sich lange Zeit die Illusion halten, dass das Bauhaus und alle seine Angehörigen per se vor jeglicher NS-Ideologie gefeit gewesen seien. Eine differenzierte Aufarbeitung setzte erst ab den 1990er Jahren ein. Knapp 30 Jahre später widmet sich nun die Jahresausstellung der Klassik Stiftung Weimar dem ambivalenten Verhältnis der Bauhaus-Angehörigen zur einstigen Diktatur. 

Die Jahresausstellung der Klassik Stiftung Weimar

Die dreiteilige Schau mit dem übergreifenden Titel „Bauhaus und Nationalsozialismus“ präsentiert das Thema vom 8. Mai bis zum 15. September an den Orten Bauhaus-Museum Weimar, Museum Neues Weimar und Schiller-Museum zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit. Auf 1.000 Quadratmetern sind rund 450 Kunst- und Designobjekte aus Privatsammlungen und renommierten Museen in Europa und den USA zu sehen. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die Moderne niemals immun war gegenüber einer Verführbarkeit und Instrumentalisierung durch totalitäre Regime.

Studierende und Dozierende der Designschule fanden sich sowohl unter den Verfolgten wie auch unter den Profiteuren des NS-Staats. Viele Bauhäusler*innen verloren ihre Arbeit, flohen oder kamen in Gefängnissen und Konzentrationslagern um. Doch die Mehrzahl der Studierenden blieb unbehelligt. Sie beteiligten sich an Propagandaausstellungen und entwarfen Filmplakate, Möbel, Haushaltswaren oder sogar Hitlerbüsten. Neben den künstlerischen und politischen Konflikten, die bereits mit der Gründung des Bauhauses in Weimar begannen und sich in Dessau und Berlin fortsetzten, werden besonders die persönlichen Gradwanderungen thematisiert, welche die Bauhäusler*innen angesichts der neuen politischen Verhältnisse nach 1933 vollzogen. Deren Lebenswege zeichnen dabei ein multiperspektivisches Bild der Politik- und Gesellschaftsgeschichte zu Beginn des langen zwanzigsten Jahrhunderts. Sie werfen die Frage auf, welche Bedeutung Künstler*innen und Kunst auch heute noch für eine offene und freiheitliche Gesellschaft einnehmen können.

Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“

9. Mai - 15. September 2024
Eröffnung am 8. Mai, 20 Uhr bei freiem Eintritt
Bauhaus-Museum, Museum Neues Weimar, Schiller-Museum
Weitere Informationen: www.klassik-stiftung.de/bauhaus-und-ns

Ticket: ModerneCard

Eintritt in alle drei Ausstellungsteile
Erw. 17 € | erm. 12 € | Schüler*in (16–20 Jahre) 7 €

Themenjahr „Auf/Bruch“ der Klassik Stiftung Weimar

www.klassik-stiftung.de/auf-bruch

Magazin „klassisch modern“

Gratis bestellen unter www.klassik-stiftung.de/magazin

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