Paula Modersohn-Becker - Bildnis der Schwester Herma mit Artischockenblüte in der erhobenen Hand
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Paula Modersohn-Becker - Bildnis der Schwester Herma mit Artischockenblüte in der erhobenen Hand, 1906.

Teil 2

Die junge Künstlerin

Auf den besonderen Wunsch Paulas Vater hin, absolviert sie eine Ausbildung zu Lehrerin, die Jahre zuvor bereits ihre älteste Schwester absolviert hatte. Paulas künstlerische Ausbildung hingegen beginnt mit ihrem Besuch im Frühjahr 1892 unweit von London, bei der Halbschwester ihres Vaters, Tante Marie Hill. Die Familie schickt Paula dorthin, weil sie sich erhoffen, der Tochter dadurch eine solide Hauswirtschaftlehre zu vermitteln, unter der Anleitung von Tante Marie. Sie verbringt viel Zeit im Freien; sie wandert gern, beobachtet die ländliche Umgebung des Hillschen Familienguts und übt sich im zeichnen und skizzieren von Pflanzen und Tieren. Anfänglich erhält Paula privaten Zeichenunterricht, dann veranlasst der Vater, dass sie einen mehrwöchigen Kurs an der renommierten Londoner „School of Arts“ teilnimmt. Paulas Aufenthalt in England ist auf eine Jahr geplant. Tatsächlich aber reist Paula schon nach einem halben Jahr wieder nach Hause. Sie findet keinen Gefallen an der hauswirtschaftlichen Ausbildung ihrer Tante, an den damit verbundenen Tätigkeiten und verfällt zunehmend in starkes Heimweh.

Schon früh zeigen sich in Paulas Leben zwei prägende und bestimmende Wesenszüge: ihre ausdauernde und kontinuierliche Art und Weise Zeichnen und Malen zu lernen, durch nichts und niemanden davon abzubringen. Auf der anderen Seite zeichnet sich Paula aber auch durch eine Art Desinteresse und Sorglosigkeit gegenüber ihrer materiellen Selbstständigkeit. Die Eltern und ganz besonders der Vater wirkt auf Paula zeitlebens ein, dass sie – sofern sie sich nicht verheiratet – eine Tätigkeit sucht, mit der sie sich ernähren kann. Solange ihre Kunst dies für sie nicht vermag, betrachtet er diese lediglich als Zeitvertreib.  Paulas Vater schätzt die künstlerische Begabung seiner Tochter und ist auch bereit sie nach dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. Aber viel lieber sieht er seine Tochter materiell gut versorgt, als als Boheme.

Paula Modersohn-Becker, Bildnis einer jungen Frau mit rotem Hut
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Paula Modersohn-Becker,
Bildnis einer jungen Frau mit rotem Hut, 1900

Und lange Zeit sieht es auch so aus, als wäre Paulas Kunst brotlos. Aber zu Paulas Glück, wird sie in ihrer etwas sorglosen Einstellung bestätigt und erhält beträchtliche Unterstützung aus der Familie. Solange die Eltern es sich leisten können, unterstützen sie Paula monatlich finanziell. Ihr Mutter nimmt eine Pensionärin im elterlichen Haus auf, um mit der daraus gewonnen Miete die Ausbildung der Tochter zu unterstützen. Dann erbt Paula unverhofft eine gewisse Summe Geld, von dem sie gut ein Jahr lang ihr Leben finanzieren kann. Als Paula Becker ab 1896 die Malschule des Vereins der Berliner Künstlerinnen besucht, bietet der Bruder ihrer Mutter, Wulf von Bültzingslöwen und dessen Frau der jungen Künstlerin an, sie bei sich wohnen zu lassen. Darüber hinaus sind sie bereit, über einen Zeitraum von drei Jahren, Paula ein jährliche Summe Geld zu überlassen, um ihr eine solide Zeichen- und Malausbildung zu ermöglichen.

Paulas Elternhaus wiederum erhofft sich durch die anhaltende und aus ihrer Sicht großzügige materielle Unterstützung, dass ihre Tochter ihnen dies durch eine solide und sie ernährende Tätigkeit danken wird. Als dies jedoch ausbleibt und Paula dennoch, trotz aller Wahrnungen und ernster Gespräche ihres Vaters, unbeirrt an ihrem Leben als lernende und experimentieren Künstlerin festhält, muss sie sich den Vorwurf der Rücksichtslosigkeit und Undankbarkeit gefallen lassen. Paulas Wille, dass „aus ihr als Künstlerin irgendwann einmal etwas wird“, wie sie es in ihrem Tagebüchern wiederholt notiert, nimmt daran aber keinen Schaden. Sie scheint sich ihrer Sache und ihrem künstlerischen Lebensweg  wirklich sicher zu sein.

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veröffentlicht von Steven Maier, am , aktualisiert zuletzt am

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