Paula Modersohn-Becker, Seine-Brücken in Paris
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Paula Modersohn-Becker, Seine-Brücken in Paris, 1905/06

Teil 4

Paris ...!

Ein weitere einschneidende Erfahrung ist Paulas erster Besuch in Paris. In der Silvesternacht des gerade frischgeborenen Jahres 1900 um 1:12 Uhr betritt Paula im Bremer Hauptbahnhof den Zug nach Paris. 17 Stunden später ist sie am Ziel ihrer Reise und betritt das Pariser Bahnhofsportal. Den Wunsch nach Paris zu reisen und dort ihre Kunst weiter zu entwickeln, verspürt Paula schon lange. Paris ist zur Zeit der Jahrhundertwende das Mekka der noch jungen modernen Kunst und ihrer Künstler. Den Impressionisten, von deren bekannteste Vertreter dieser Zeit Monat, Manet und Degas gerade ebenso in Paris verweilen, bietet sich hier der Raum, um mit anderen Künstlern und Freigeistern dieser Zeit sich auszutauschen und an ihren Werken zu arbeiten. Zwar kämpfen auch sie noch um ihrer Anerkennung, aber immerhin werden ihre Werke ausgestellt, wenn auch noch deutlich getrennt und abgesondert von den Werken der etablierten französischen Künstler. Die ersten Kunstsammler beginnen sich für die jungen Wilden, wie die Impressionisten in Paris auch genannten werden, zu interessieren und die ersten Künstler der Moderne können bereits von den Erträgen ihrer Kunst leben.

In Paris angekommen, nimmt Paula bei Philippo Colarossi in seiner Akademie Zeichenunterricht. Um am Unterricht hier teilnehmen zu können, bedarf es keiner Aufnahmeprüfung und so wie hier, sprießen in ganz Paris private Kunstschulen aus dem Boden,  die es insbesondere Frauen, aber auch Ausländern leicht machen, in Paris künstlerisch Fuß zu fassen. Diese privaten Kunstschulen sind für beide Seiten ein einträgliches Geschäft, nirgend sonst auf der Welt bietet eine Stadt so wie Paris ihren Schülern ein kompetentes Lernumfeld in dieser Zeit. Und Meisterkünstler und ehemalige Modelle gibt es ebenfalls genug, die auf diese Art ein gutes Stück ihres Lebensunterhalts verdienen. Zum größten Traum der hier sich ausbildenden Kunstschüler gehört es, von der jährlich stattfinden Jury des Pariser Salon angenommen zu werden. Denn wem das gelingt, gehört zum Kreis der anerkannten Künstler und kann damit rechnen, Käufer für seine Bilder zu finden.

Fotografie, Der Ehemann Otto Modersohn
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Fotografie, Der Ehemann Otto Modersohn, vor 1912

Ähnliche Gedanken wie die auch eben genannten, beschäftigen vielleicht auch Paula, als sie sich in ihren Aktstudien an der Akademie übte. In ihren Tagebuchaufzeichnungen schreibt sie vermehrt, wie sehr sie begreift und erfährt, wie wichtig dieses Studium für sie ist. In Paris entdeckt Paula künstler für sich, die später zu den herausragendsten ihrer Zeit gehören sollten, ihr selbst aber zuvor noch unbekannt waren. Paul Cezanne gehört zu diesen Künstlern und seine Werke entdeckt sie hier in Paris in dem Geschäft des Ambroise Vollard, einem Kunsthändler, in der Rue Lafitte, der sogenannten „Bilderstraße“, da sich hier viele Kunsthändler niederließen, die sich insbesondere dem aufkeimenden Impressionismus öffneten. In Cezanne sieht sie die Bestätigung für ihr eigens künstlerisches Gespür, die Entdeckung seiner Werke stellt für sie wohl eine Offenbarung dar und eine großen Antriebsschub für ihr eigenes Schaffen.

1901 heiratet Paula Becker den Worpsweder Künstler Otto Modersohn. Ihn hatte sie schon recht früh in dem kleinen Örtchen kennen- und schätzengelernt. Otto ist 11 Jahre älter als Paula und kann von seiner Kunst bereits gut und angemessen leben. Paulas Eltern sind beglückt, als sie von der Verlobung ihrer Tochter erfahren, garantiert doch diese Bindung der Tochter ihren Lebensunterhalt und verspricht zudem etwas mehr Bodenständigkeit in ihr Leben zu bringen. Mit dem Künstler verbindet Paula schon recht früh eine, zumindest am Beginn ihres Zusammenseins, ähnliche Kunstauffassung. Otto schätzt Paulas Arbeiten, auch wenn sich später herausstellen wird, dass auch er nicht zu den Menschen gehört, denen sich Paula ganz anvertraut. Als sich die beiden das erste Mal kennenlernen, stirbt wenige Monate später seine damalige Frau, an den Folgen einer langjährigen Krankheit. Mit ihr hat er eine gemeinsame Tochter, Hellene. Kurz vor Paulas Tot wird sie ihrem Mann Otto ein gemeinsames Kind zur Welt bringen. Zwischenzeitlich wird sich Paula von Otto trennen, aber letztlich doch wieder in ihren letzten Lebensjahren zur ihm zurückkehren und ihm als letztes ihr gemeinsames Kind in den Arm legen.

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veröffentlicht von Steven Maier, am , aktualisiert zuletzt am

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